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Samstag, 31. August 2013

Zwischen Fressnapf und Farbtopf – über die zeitgenössische Kaschauer Kunstszene


Ich erinnere mich noch genau, wie ich Mirka (eigentlich Miriama) Kardošová zum ersten Mal begegnet bin. Es war beim Kulturmanager Treffen des Robert Bosch Institutes im April, kurz nach meiner Ankunft in Košice. Von einer „zeitgenössischen Kunstszene“ in der Stadt wusste ich bislang noch nichts und so schloss ich mich der Tour durch die „contemporary art scene in Košice“ an, die für die Kulturmanager organisiert worden war. Mirka führte damals die zehnköpfige Gruppe durch die Stadt.

Ich wusste von der jungen Slowakin bereits, dass sie selbst malte, weil mir ihre Bilder im Katalog des Künstleraustauschprogramms K.A.I.R. beim Durchblättern aufgefallen waren. Die blassen, unzugänglichen Gesichter, die düsteren Farben, eine diffuse, schemenhafte Szenerie, in der sie ihre Figuren in groteske, teilweise mehrdeutige Positionen setzt, sind mir im Gedächtnis geblieben.


Die Tour durch die „contemporary art scene in Košice“ hatten wir schnell hinter uns gebracht: Nach einer Stippvisite des Pyecka Studios, eine von Kunststudenten betriebene Galerie und zugleich das Zentrum des Street Art Communication Festivals*, besuchten wir einen Designshop, in dem Jungdesigner ihre selbstentworfenen Accessoires verkaufen. Am Ende landeten wir auf dem Gelände der Tabakfabrik in einer finsteren Halle, die sich D.I.G. Gallery nennt, eine Galerie für neue Medien. 

Als ich inmitten dieses schwarzen Saales die Orte der jungen Galeristen und Künstler noch einmal im Geiste durchlief, stellte ich erstmals überrascht fest, dass hier in meiner vermeintlich vertrauten Heimat gerade etwas vollkommen Neues entsteht. Die „contemporary art scene“ von Košice entwächst ihren Kinderschuhen, sie entpuppt sich aus ihrem Kokon. Langsam, kaum merklich, aber unaufhaltsam schreitet sie voran.

Führt das Kulturhauptstadtjahr zu einem Aufschwung der Kunstszene und verschafft es den jungen Künstlern mehr Präsenz? Stellt man Mirka diese Frage, nickt sie zwar, aber ihr Leben als aktive Künstlerin hat sich durch das Jahr 2013 nicht allzu sehr verändert. Sie half auf etlichen kulturellen Veranstaltungen aus, aber die Gelegenheit hier in Košice selbst auszustellen, hat sie zumindest in diesem Jahr noch nicht bekommen. „Das Kulturhauptstadtjahr gibt den Künstlern mehr Möglichkeiten sich zu präsentieren. Für Absolventen der Kunsthochschule bleibt es aber weiterhin nahezu unmöglich davon zu leben“, sagt die 25-Jährige.


Ich besuche Mirka in ihrer Wohnung in der Plattenbausiedlung „Nad Jazerom“. Sie hockt auf den Knien auf einem Kissen und arbeitet an ihrem Gemälde für einen Kunstwettbewerb. Ihr Freund nimmt es gelassen, dass der Gemeinschaftsraum dafür dauerhaft dem Atelier weichen muss. Doch nicht nur in diesem Raum, Mirkas Bilder sind überall in der Wohnung allgegenwärtig. Frauen- und Männergruppen tummeln sich auf ihren Gemälden. Die antagonistische Beziehung zwischen den Geschlechtern, ihre schwierige Kommunikation miteinander, das Zweideutige in ihren Handlungen sind wiedererkennbare Elemente in ihren Arbeiten.

Um zu überleben, jobbt die junge Kunstabsolventin in einem Hundesalon in der Innenstadt. Als ich eines Nachmittags vorbeischaue, ist der Laden gerade leer. Mirka nutzt die Gelegenheit für die Anprobe eines Kleides, welches sie für eine junge Balletttänzerin entworfen hat. Umgeben von Kauknochen, Säcken voller Hundefutter und Tierboxen wirbelt Mirka um die kleine Tänzerin herum und nimmt Maß an der zierlichen Gestalt. Das Klingeln an der Tür kündigt einen neuen Kunden an. Mirka eilt zum Tresen und verkauft ein Schild mit der Aufschrift „Achtung Hund“.


Dieses eine Leben ist beispielhaft für das junge Košice und die „contemporary art scene“. Sie entsteht in diesem Moment: in einer ehemaligen Tabakfabrik, einem Hinterhof oder auch, wenn’s sein muss, in einem Hundesalon. Umgeben von Fressnäpfen, zwischen alltäglichem Überlebenskampf und leidenschaftlicher Kreativität. Veränderungen entstehen eben oft nur auf diesem schmalen Grat.


Nachtrag
Das Kleid, welches Mirka für die Balletttänzerin entwarf, wird kommende Woche auf der Bazzart Design und Fashion Week präsentiert, welche vom 2.-8. September an diversen Orten in der Altstadt (Pyecka Studio, Synagoge auf der Glockengasse etc.) stattfindet. Nähere Infos zum Programm gibt es hier.

*Street Art Communication (SAC) Festival
Das Street Art Communication Festival fand in der Woche vom 19.-25. August zum fünften Mal in Folge in Košice statt. Es zieht Sprayer aus der ganzen Welt an. Nach und nach verändern die Künstler die grauen Fassaden der Stadt sowie die Akzeptanz der Bürger gegenüber Kunst im öffentlichen Raum.


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Sonntag, 12. Mai 2013

Galaktische Aussichten

Es klopft an der Tür zum Büro des Direktoriums der privaten Schule im Kaschauer Stadtteil Nad jazerom. Die Schuldirektorin seufzt. Es ist bereits das dritte Mal innerhalb fünf Minuten. „Heute ist hier wirklich Tag der offenen Tür“, zischt Anna Koptová und ruft: „Herein!“

Als sie die Person in der Tür erblickt, erhellt sich ihr Ausdruck. „Ah Peter, du bist es!“ Ein junger Mann im schwarzen Pullunder und sorgfältig gebügeltem Hemd betritt den Raum. Stolz legt er ein dunkles Buch auf den Tisch. Es ist seine druckfrische Magisterarbeit in Katholischer Theologie. Ich erhasche einen Blick auf den Buchdeckel: „Matthäusevangelium“ steht dort in goldenen Lettern. Anna Koptová nimmt die Abschlussarbeit behutsam in die Hände, guckt dabei mit leuchtenden Augen abwechselnd zu ihrem ehemaligen Schüler und dann auf den vergoldeten Titel.

- Eine scheinbar banale Situation, der ich zufällig Zeuge werde. Für die beiden aber ist es ein historischer Moment. Denn Peter Gazi, ein angehender Priester, und Anna Koptová, die Schuldirektorin, sind beide slowakische Roma. Der 26-Jährige ist vermutlich der erste, der eine Übersetzung des Matthäusevangeliums in Romani, seiner Muttersprache, zu Stande gebracht hat.

Er zählt zu den wenigen Roma, die in der Slowakei eine akademische Laufbahn eingeschlagen haben. Wie viele es tatsächlich sind, kann keiner genau sagen. Slowakische Behörden führen darüber angeblich keine Statistiken. „In den letzten 60 Jahren können Sie die Studenten mit Roma-Hintergrund an ein paar Händen abzählen“, sagt Anna Koptová. Peter Gazi gehörte zum ersten Abschlussjahrgang des privaten Gymnasiums . „Allein schon für diesen jungen Mann ist es das wert gewesen diese Schule zu eröffnen“, wendet sich die Direktorin an mich.

Obwohl Roma in der Slowakei etwas weniger als 10 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, landen bis zu 85 Prozent der Kinder in Sonderschulen und –klassen für Schüler mit "leichter geistiger Behinderung". Mit der Einschulung in die Sonderschule beginnt der Teufelskreis: welcher Betrieb stellt einen Sonderschüler ein? Und ohne Abitur rückt das Hochschulstudium in weite Ferne. 

Im September 2012 entschied erstmalig ein slowakisches Bezirksgericht im Nordosten des Landes, dass die Einrichtung von Sonderschulklassen für Roma-Kinder an einer Grundschule diskriminierend sei. Viele Schulen verlauten dagegen, das Lernniveau zwischen Roma-Kindern und der Mehrheitsbevölkerung sei zu unterschiedlich, weshalb es unmöglich sei die Kinder gemeinsam zu unterrichten. Roma-Schüler kämen ohne Arbeitsmaterial in die Schule und ihre Körperhygiene läge weit unter der gesellschaftlich verträglichen Norm.

Anna Koptová sagt, sie könne gut verstehen, wenn Eltern nicht wollen, dass ihr Schützling neben einem schmutzigen, von Flöhen befallenen „Zigeuner-Kind“ sitzt. „Aber was wollen wir denn von diesen Kindern erwarten, wenn sie in einem Viertel ohne fließend Wasser und Elektrizität leben?“


An ihrer kleinen Privatschule, das aus der StiftungGood Romani Fairy Kesaj Village Foundation(slowakisch Nadacia Dobrá romská víla Kesaj) hervorgeht, kommen so gut wie alle Schüler aus dem Roma-Ghetto Lunik IX. Nach der Musik- und Kunstschule („Konzervátorim Exnárová“) in Košice, die 1991 etabliert wurde, entstand ihr Gymnasium 2003 als zweite Schule in der Ostslowakei, an der auch auf Romani unterrichtet wird. An Anna Koptovás Gymnasium wurden vor zehn Jahren in einem Pilotprojekt Schulmaterialen auf Romani und ein Lehrplan für Romanesische Sprache und Literatur entwickelt. In den letzten fünf Jahrgängen haben 60 Roma die Schule mit Hochschulreife verlassen. - Eine vergleichsweise hohe Anzahl für ein Gymnasium in der Slowakei. Jana Tesserová, die ehemalige Direktorin des städtischen Gymnasiums Šrobárka in Košice erinnert sich nur an 5-7 Roma-Abiturienten in ihrer 16-jährigen Direktorslaufbahn.

Grundschule und Gymnasium auf der "Galactická"
Doch der kleinen Privatschule, die ironischerweise auf der „Galaktischen Straße“ liegt, mangelt es akut an finanziellen Mitteln: auf den Toiletten tropft der Wasserhahn, Türgriffe hängen lose in schief hängenden Türen und die mobiliare Ausstattung ist auf das Minimalste reduziert. Der staatliche Zuschuss berechnet sich nach der Anzahl der Schüler und diese ist in diesem Jahrgang mit insgesamt 65 Gymnasiasten wahrhaftig sehr gering. 

Pavol Ičo nimmt mich mit in seinen Englischunterricht. Der junge Mann ist eigentlich Sprachwissenschaftler. Zwar hat er bereits jahrelang als Englisch-Übersetzer gearbeitet, doch für seine Lehrtätigkeit holt er noch das benötigte Diplom in Pädagogik nach. 17 Schüler aus der 5.Klasse stellen sich mir vor: „My name is Maria. I am Slovak and I am from Kosice“, sagt ein kleines Mädchen mit dunkler langer gelockter Mähne und Piercing in der Nase. 

Die Mädchen tragen große Reifenohrringe, diese scheinen momentan im Trend zu sein. Nachdem sich die Schüler vorgestellt haben, erzähle ich ihnen auf Englisch von Hamburg: vom Hafen, von Schiffen und der Elbe. Doch das alles scheint selbst mir an diesem Ort weit weg zu sein. Fasziniert lauschen die Kinder meinen Worten und folgen mit den Augen jede meiner Regungen. – Hier bin ich die Fremde. Für Pavol Ičo hingegen ist es schwer, seine Schüler zu bändigen. Cindy spielt pausenlos an ihrem Handy. Richard, ein wesentlich älterer Junge, lässt sich zu keiner einzigen Beteiligung ermuntern. 


Als wir am Ende der Schulstunde den Klassenraum verlassen, wundere ich mich, dass der Lehrer die abgewetzten Hefte wieder einsammelt. „Das Schulmaterial können wir den Kindern nicht mitgeben, die wären nach einer Woche völlig zerschlissen oder gar verschwunden. Eigentlich müssten die Eltern für die Schulbücher aufkommen, das tun sie aber nicht. Deswegen stellt die Schule ihnen die Bücher. Kopien zerreißen oder zerkrümeln sie sofort. Das ist eben ihre Mentalität. Da kann man nichts machen, “ erklärt er mit einem Schulterzucken... Nachdem mich Pavol Ičo vor dem Lehrerzimmer verabschiedet, rufen Maria und ihre Freundinnen auf Wiedersehen und winken mir noch lange durch den Flur hinterher. Auf dem Heimweg frage ich mich, ob die lockige Maria es bis zur Hochschulreife schaffen wird.

Wieder zuhause lässt mich Anna Koptovás Bemerkung über Statistiken der Roma-Abiturienten in der Stadt nicht los. Nachdem ich mich am nächsten Morgen durch etliche Warteschleifen der Kaschauer Verwaltungen telefoniere, setzt mich eine Dame der Schulbehörde darüber in Kenntnis, dass eine nach Ethnien unterteilte Statistik, laut dem neuen Antidiskriminierungsgesetz, verboten sei, und wozu ich das denn überhaupt wissen wolle. Rumms. Das Telefonat ist beendet. 

Peter Gazis Worte von gestern zur Bildungssituation der Roma hallen in meinen Ohren nach: „Es ist so eine tickende Bombe, und ich habe das Gefühl, einige warten nur darauf, dass sie explodiert.“ -

Ich hoffe der Staat nimmt bald Abschied von seiner „Sonderschul-Abschiebemethode“. Schließlich weiß das Land jetzt schon jetzt nicht mehr, wohin mit all seinen „mental retardierten“ Bürgern…

Auf der Internetseite eines Kaschauer Gymnasiums stoße ich auf folgendes Sprichwort: Gibst du einem Mann einen Fisch, nährt er sich einmal. Lehrst Du ihn das Fischen, nährt er sich ein ganzes Leben. (Lao-Tse, 480-390 n. Chr.) - Den Schwierigkeiten zum Trotz ist die Privatschule auf der Galaktischen Straße ein Lichtblick für die Ausbildung der Roma in der Slowakei.

Das Schulsystem in der Slowakei
In der Slowakei besteht zehnjährige Schulpflicht. Die Schüler gehen in den meisten Fällen auf eine neunjährige Grundschule. Nach dem erfolgreichen Abschluss des 9. Schuljahres können sie an einer vier- bis fünfjährigen „Mittelschule“ (Gymnasium) das Abitur absolvieren und im Anschluss studieren. Neben der akademischen Laufbahn gibt es, ähnlich wie im deutschen Schulsystem, weiterführende fachbezogene Schulen, an denen Schüler eine Lehre machen. 

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Freitag, 3. Mai 2013

Der Fremde auf meiner Etage


Wir sitzen auf der ersten Etage im „Výmenník Važecká“, einem ehemaligen Wärmespeicher im Stadtteil Nad jazerom. Aus dem Erdgeschoss drängen Kinderrufe, Tische und Stühle werden verschoben. Die letzten Vorbereitungen für die Eröffnungsveranstaltung im Kulturzentrum laufen. In wenigen Minuten sollen die Anwohner ihre Vorschläge zum bald entstehenden Kulturprogramm einbringen.

Derweil erkunden einige neugierige Besucher die Dachterrasse des futuristisch anmutenden Betonbaus. Es ist die Eröffnungswoche gleich drei neuer Kulturzentren, und somit eine ganz besondere für Blanka Berkyová, die das Projekt „SPOTs“ bereits im vierten Jahr leitet.

Schon vor meiner Ankunft in Kaschau wurde ich mehrfach auf "SPOTs" hingewiesen, das in der Kulturhauptstadt als DAS Vorzeigeprojekt gilt. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter „SPOTs“? - Es soll Kultur in die Platte bringen, oder anders formuliert: die Siedlungen durch kulturelle und soziale Knotenpunkte - spots - wiederbeleben. Denn die riesigen Betonbausiedlungen erstrecken sich rings um das Stadtzentrum und liegen oft in weiter Ferne des lebendigen Altstadtgeschehens.
 
Endhaltestelle im Stadtviertel Nad jazerom
Seit 2009 baut die Stadt unter Leitung Blanka Berkyovás die ungenutzten Wärmespeicher in den Siedlungen in multifunktionale Kultur- und Medienzentren um. Früher dienten die Häuschen als Wärmeverteiler in den Wohnblocks. Mit dem Wechsel zu neuen Warmwasser- und Heizungstechnologien verloren sie ihre Funktion und verwahrlosten zusehends.

alter Wärmespeicher im Stadtteil Nad jazerom
Die Rekonstruktion der Wärmespeicher, die ihnen neue Form und Farbe verpasst, macht allerdings nur den kleinen sichtbaren Teil des eigentlichen Projektes aus. Weniger erkennbar sind die Veränderungen, die sich innerhalb der Bevölkerung abspielen. „Als wir die erste Ausstellung eines Bewohners, der sich mit Holzschnitzerei beschäftigt, auf die Beine gestellt haben, ist mir bewusst geworden, dass seine Nachbarn überhaupt nicht wussten, wer František Jelonek ist“, erinnert sich die SPOTs-Managerin.

Ausstellung von František Jelonek im Juni 2011 im Wärmespeicher Obrody
František Jelonek. Ein Name, eine anonyme Menschenseele von Hunderten, die in seinem Block leben. Seit über 20 Jahren steht Jeloneks Name auf dem Namensschild an der Tür, doch kaum jemand kannte den Mann mit Brille und grau-melierten Haaren. - Bis zu jenem Tag, als er im ehemaligen Wärmespeicher, wenige Schritte von seiner Wohnung entfernt, sein geheimes Hobby zum ersten Mal der Öffentlichkeit zur Schau stellte. Seine Nachbarn entdeckten nicht nur die Kunstwerke Jeloneks, sondern auch einen völlig neuen Menschen. „Das war ein Schlüsselmoment für mich“, bemerkt Blanka Berkyová lächelnd. „Da habe ich gedacht: wow, es funktioniert!“

Die Geschichte von František Jelonek ist kein Einzelfall. Nachbarn teilen sich seit einer Ewigkeit denselben Aufzug ohne je ein Wort miteinander gesprochen zu haben. Allein in Jeloneks Wohngebiet, dem Stadtteil West, wurden in den 1960er Jahren 15.000 Wohneinheiten gebaut, die im Schnitt als 4-Personen-Haushalte konzipiert waren. Heute leben hier 41.300 Menschen, meist in völliger Anonymität nebeneinander.

Blick von der Dachterasse des Wärmespeichers Wuppertálska auf die Siedlung KVP
Das Team von Spots will genau diese minimieren und den Bewohnern ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln. 2009 fragte es dazu die Bürger was sie mit den alten Wärmespeichern anstellen würden. So klopfte es auch an der Tür von Klára Fazekasová. Die pensionierte Lehrerin wohnt ihr halbes Leben in der Neustadt von Košice, welche aufgrund der Hanglage auch „Terasa“ genannt wird. „Am dringlichsten benötigten wir einen Raum für unsere Mieterversammlung“, gesteht sie. Bis die Plattenbauten neue Fenster, eine Isolierung und einen neuen Anstrich bekommen, müssen sich die Mieter gemeinsam über die Rekonstruktion einigen. Erst dann verschwindet das hellgraue Betonraster unter neuer Pastellfarbe. „Bislang blieb uns für die Versammlungen nur der Hausflur im Erdgeschoss. Jetzt können wir uns im ehemaligen Wärmespeicher um die Ecke treffen.“ 


Am Anfang vor vier Jahren glaubte kaum ein Bewohner, dass das SPOTs-Projekt funktionieren würde. Die größte Skepsis der Bürger lautete: der Umbau der alten Wärmespeicher und die Instandhaltung eines Kulturzentrums seien viel zu teuer. Man gab dem Projekt maximal ein Jahr Überlebenszeit. „Natürlich gibt es auch heute noch alte Griesgrämer, die sich über die hohen Kosten oder über den Krach bei Fußballwettbewerben beschweren“, sagt Klára Fazekasová und verdreht dabei die Augen. Die Rentnerin gibt mir eindeutig zu verstehen, dass sie keinesfalls zu diesen „alten Nörglern“ zähle.

der erste Wärmespeicher "Obrody", aus dem ein Kulturzentrum entstand
„Wissen Sie, wenn man hier so lange lebt, wird man faul abends in die Stadt zu fahren. Darum bin ich froh, dass wir es jetzt so nah zu kulturellen Veranstaltungen haben“, erzählt die Seniorin weiter. Zwar ist die öffentliche Verkehrsanbindung mit Bus und Tram meist gut zur Innenstadt geregelt. Doch die florierende „Hochkultur“ der Altstadt, die sich im Staatstheater oder im Haus der Künste abspielt, erscheint für viele Bewohner der „Terasa“ schier unerreichbar. – Zu weit klaffen das bunte, quirlige Altstadtleben und das Grau in Grau der Satellitenstädte auseinander.

Die Siedlungsbewohner stellten in den Wärmespeichern hingegen Gitarrenworkshops, Sportturniere, Lesungen, Film- und Theatervorstellungen auf die Beine. Im aktuellen Programm werden auch Trendsportarten wie Tae Bo und Yoga angeboten - selbst im Stadtkern eine Seltenheit - und ein Wärmespeicher verwandelte sich in einen Skatepark.

der Wärmespeicher L'udová dient seit April als  Skatepark im Stadtteil West
Hinter verschlossenen Türen in den Wohnblöcken verbergen sich geheime Kunstschmiede, Dichter, Batikkünstler oder Pflanzenkundler. Das Team von SPOTs sei immer wieder über die vielseitigen handwerklichen Fähigkeiten der Bewohner erstaunt. „Die Bewohner lernen wiederum interessante Künstler kennen, die wir zum Teil aus dem Ausland in die Siedlungen holen“, sagt sie. „So lernen wir gegenseitig voneinander. - Ein dynamischer Prozess.“

Vor dem Projekt „SPOTs“ gab es in den Siedlungen von Košice bereits vereinzelte, selbst initiierte Mütterzentren, Tauschbörsen und Jugendgruppen. „Aber eine derart großflächige Aktion, welche so viele Bürger gezielt integriert, ist mir weder aus der Slowakei, noch aus anderen Ländern bekannt“, sagt die junge Slowakin mit Stolz in der Brust. „SPOTs kann sich als ein Pionierprojekt bezeichnen!"

Bis 2018 bleiben die Häuser in den Händen der Veranstalter der Kulturhauptstadt, die sich um die Organisation der kulturellen Veranstaltungen und Instandhaltung kümmert. Die Projektleiterin hofft, dass sich die Kulturzentren eines Tages autonomisieren. „Vielleicht findet sich tatsächlich eine pfiffige Bürgerinitiative, die die kulturellen Aktivitäten in den Häusern fortsetzen und verbreiten wird.“

Info-Veranstaltung im neuen Wärmespeicher Važecká
Momentan sieht es zumindest im Stadtteil Nad jazerom noch nicht danach aus. Seine Anwohner müssen erst noch mit dem meteoritförmigen Gebäude warmwerden. Abgesehen von einer Gruppe Kinder, die wie magisch von der Kletterwand angezogen ist, kommt noch nicht einmal eine Handvoll Bürger zur Abendveranstaltung. Vielleicht ist das fehlende Interesse an diesem Abend aber auch der „SuperStar“ Gesangshow geschuldet, die in der „Malibu bar“ nebenan ihren eigenen Star auf die Bühne bringt …

ein Ufo ist gelandet - die Phase gegenseitiger Annäherung beginnt


Auszug aus dem Interview mit Blanka Berkyová (slowakisch)

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