Donnerstag, 11. April 2013

Endlich Frühling!


Das erste Eis
Dom der Heiligen Elisabeth
Die Hauptstraße in der Altstadt




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Sonntag, 7. April 2013

Mit fremden Augen


Ich gebe zu, in die Vorfreude auf meine neue Tätigkeit als Stadtschreiberin mischte sich auch die Befürchtung, Dinge zu übersehen, die mir womöglich gewöhnlich erscheinen. Schließlich habe ich Košice von klein auf jedes Jahr besucht. Doch bereits nach den ersten Tagen muss ich feststellen: ich bin selbst eine Fremde in meiner Geburtsstadt. 

Während der schier nie enden wollenden Autofahrten in die Slowakei beobachtete ich als Kind die auf der Fensterscheibe entlangrinnenden Regentropfen. Denn nach 14 Stunden Autofahrt war jede Bewegung faszinierend. Dann plötzlich erschienen die ersten riesigen Reklametafeln. Gelbe, bis in den Himmel ragende Straßenlaternen, die die Fassaden der grauen Betonklötze in ein grelles Licht tauchten, hießen uns willkommen. 

Über all die Jahre blieb der erste Eindruck Košices unverändert: das rauchende Stahlwerk, sechsspurige, leere Straßen bei Nacht, das „Amphitheater“ – eine mit bunten Stühlen bestückte halbrunde Sitzanlage aus den 1950ern –  all das glitt schemenhaft an mir vorüber. Auch bewegte ich mich nicht selbständig in der Stadt, nein ich wurde bewegt, von der einer Oma zur anderen bugsiert und mit all den süßen Sünden wie „vanilkové rohlíčky“ oder „rumové mesiačiky“ verköstigt.

Gestern, heute, diese Woche ist es nun anders. Ich entdecke die Stadt für mich neu. Es ist, als würde jemand nach und nach die fehlenden Teile der Karte aufdecken, die mir bislang als Terra incognita verborgen blieben. Die Bilder fügen sich zusammen, Orte bekommen ihre Namen, ihre Koordinaten.

Einer dieser Neuentdeckungen ist das Ostslowakische Museum auf dem Platz des Friedensmarathons in Košice. In dem imposanten Bau der Neorenaissance befinden sich auf mehreren Etagen Exponate zur Geschichte der Ostslowakei sowie die Schatzkammer der Stadt. Ehrlichgesagt habe ich das Gebäude noch nie betreten, aus Angst vor übergroßen Jesuskreuzen und mit Holzwürmern zerfressenen Marienstatuen.

Nun locken mich, wie auch viele andere Kunstinteressierte, Fotografien französischer Künstlerinnen in das Museum. Die Ausstellung „Un petit Journal“  (Ein kleines Tagebuch), die noch bis zum 30. April zu sehen ist, ist ein Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen den beiden diesjährigen Kulturhauptstädten Košice und Marseille.


Die Fotografien der anwesenden Künstlerinnen Suzanne Hetzel, Anne Laubet und Flore Gaulmier werfen einen Blick hinter die Kulissen von Košice. Ihre Außensicht übt eine besondere Anziehungskraft auf die neugierigen Besucher aus. - Vielleicht ist es eine Art innerer Voyeurismus? „Was sehen diese fremden Künstlerinnen aus Marseille in meiner Heimat, die mir manchmal so trist und trivial erscheint?“, fragt sich der Besucher.

Der Marseillerin Flore Gaulmier fielen auf ihren nächtlichen Streifzügen durch Einkaufsstraßen die Vitrinen mit Dessous-Mode ins Auge. Nachts erwachen die Schaufenster zum Leben. Die leicht bekleideten Puppen inszenieren sich selbst auf ihren ausgeleuchteten Bühnen… 


In den Vororten von Košice entdeckte Gaulmier in grellen Pastelltönen gestrichene Einfamilienhäuser. Über Geschmack lässt sich streiten. Die Fotografin betont, ihr gefielen die einzigartigen Fassaden. Ein Besucher scherzt dagegen, die schrillen Farben seien einfach billiger. 



Die Fotografin Anne Laubet inspirierten wiederum die Plattenbausiedlungen, die den historischen Stadtkern wie ein Ring umsäumen. Anders als in Marseille, lebt in Košice der Großteil der Bevölkerung in Plattenbausiedlungen. „Während in Frankreich kaum mehr über deine Herkunft verrät, als dein Wohnviertel, kannst du in Košice darüber wirklich keine Schlüsse ziehen.“  

Die Koexistenz vom kommunistischen Erbe und kapitalistischen Hauruckaktionen werden insbesondere in den Wohnsiedlungen deutlich, so Anne Laubet. Gläserne Shopping-Malls wie Optima und Aupark sprossen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden, während die Plattenbausiedlungen weitestgehend in ihrem ursprünglichen Zustand geblieben sind.
 


Auch Adéla Foldynová, meine Begleiterin auf der Vernissage, schätzt „den fremden Blick“ auf die Kulturhauptstadt. Als Leiterin von K.A.I.R. – Košice Artist in Residence, einem interkulturellen Austauschprogramm für Nachwuchskünstler, bemerkt sie, welchen Mehrwert die Außensicht von ausländischen Künstler  auf Košice habe. Die Auseinandersetzung der Künstler mit der Stadt und ihrer Bevölkerung verändere manchmal den Blickwinkel der Košicianer auf vermeintlich Bekanntes.  

Zum Ende der Vernissage erweitern die Marseiller Künstlerinnen dann noch ihre provenzalischen Weinkenntnisse um slowakischen Rotwein – auch eine Möglichkeit des interkulturellen Austausches…
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Dienstag, 2. April 2013

Nachtzug nach Košice


In Pascal Merciers Roman nimmt Raimund Gregorius den Nachtzug nach Lissabon. – Mein Nachtzug geht nach Košice. Wie der Protagonist des gerade verfilmten Romans stehe auch ich vor der Frage „Wenn […] wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist – was geschieht mit dem Rest?“

Ich will es wagen – mein kleines slowakisches Abenteuer. Packe meine Koffer, steige in Hamburg in den Zug und fahre Richtung Osten. In Košice, der 240.000 Seelen Stadt, der zweitgrößten der Slowakischen Republik, liegen meine Wurzeln. Hier bin ich 1986 geboren. Es ist die Heimat meiner Familie. Auch meine ist es auf eine Weise. Sie wäre es geworden, hätten meine Eltern sich damals nicht entschieden dem Sozialismus den Rücken zu kehren. Sie setzten meine Schwester und mich auf die Rückbank unseres Škodas und auf ging es in den Westen.  – Wir können nur einen kleinen Teil von dem leben, was in uns ist. Nun habe ich fünf Monate lang Zeit zu entdecken, wie sich dieser Teil anfühlt. 

Ich will als Stadtschreiberin ganz nah sein an Košice, seinen Menschen und der Umgebung. An dieser kleinen Stadt in der Ostslowakei, die sich noch etwas schüchtern gewöhnen muss an ihren Titel der „europäischen Kulturhauptstadt 2013“. Seit jeher ist Košice Schmelztiegel verschiedener Kulturen und Bräuche und steht sinnbildlich für Völkerwanderungen, Kriege und Wirrungen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts. Košice wechselte binnen weniger Jahrzehnte mehrfach die Staatsangehörigkeit – ohne sich dabei auch nur einen Schritt vom Fleck zu bewegen. Wer kann dies schon von sich behaupten?

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten hier Juden, Deutsche, Ungarn und Slawen friedlich miteinander. Bis heute sind viele Bewohner der Stadt Košice bilingual. Daneben konnten sich einige wenige deutschsprachige Inseln in der Region halten – der forcierten Assimilierung durch das ungarische Königreich und den russischen Besatzern nach dem Zweiten Weltkrieg zum Trotz. In ostslowakischen Orten wie Metzenseifen oder Stoß spricht man heute noch den „mantakischen Dialekt“.

Wie wirkt sich die wechselvolle Geschichte der Stadt Košice und der Umgebung auf ihre Bewohner aus? Welche Erfahrungen machten sie in den politischen Umbrüchen? Mit welchen Herausforderungen lebt hier die junge Generation, die bereits im post-kommunistischen Staat aufgewachsen ist?

Über all das will ich schreiben. Nach 20 Stunden Fahrt, nach über 1200 Kilometern komme ich in meiner neuen-alten Heimat an. Mein slowakisches Abenteuer kann beginnen.

Nachtzug nach Košice - in Bildern

Nachts in Prag geht die Reise los

mit dem Schlafwagen
Viele Hunderte Kilometer rattert der Zug durch die Nacht
Nebelverhangen beginnt der nächste Morgen
Plötzliche Ankunft am Bahnhof Košice
Ich bin am Ziel. Endstation Košice.
Willkommen in der Kulturhauptstadt Europas
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Mittwoch, 27. März 2013

Kristina Forbat wird Stadtschreiberin in Košice/Kaschau 2013

Die Autorin und Übersetzerin berichtet ab April aus der diesjährigen Europäischen Kulturhauptstadt in der Slowakei

Eine vom Deutschen Kulturforum östliches Europa berufene Jury, der auch Vertreter der Europäischen Kulturhauptstadt Kaschau/Košice sowie der aus der ostslowakischen Stadt stammende Schriftsteller Dušan Šimko angehörten, entschied sich für Kristina Forbat als Stadtschreiberin in Kaschau/Košice 2013. Sie setzte sich gegen 26 weitere Bewerberinnen und Bewerber durch.

Das vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien dotierte Stadtschreiber-Stipendium des Deutschen Kulturforums östliches Europa wird im Jahr 2013 zum fünften Mal vergeben. Es soll das gemeinsame kulturelle Erbe der Deutschen und ihrer Nachbarn in jenen Regionen Mittel- und Osteuropas, in denen Deutsche gelebt haben bzw. heute noch leben, in der breiten Öffentlichkeit bekannt machen. Außerdem soll es außergewöhnliches Engagement für gegenseitiges Verständnis und interkulturellen Dialog fördern. Als Wanderstipendium konzipiert, war es bisher in Danzig/Gdańsk (2009), Fünfkirchen/Pécs (2010), Tallinn/ehemals Reval (2011) und Marburg an der Drau/Maribor (2012) angesiedelt und wird 2013 ins slowakische Kaschau/Košice vergeben.

Das Projekt »Stadtschreiber Kaschau/Košice 2013« wird vom Deutschen Kulturforum östliches Europa in Zusammenarbeit mit dem Programm KAIR Košice Artist in Residence der Kulturhauptstadtgesellschaft Košice2013 – Európske hlavné mesto kultúry durchgeführt.


Kristina Forbat wird ihren fünfmonatigen Aufenthalt in der Europäischen Kulturhauptstadt im April 2013 antreten. Während ihrer Zeit in der ostslowakischen Metropole wird sie ein Internettagebuch führen und dort über ihre Begegnungen und Beobachtungen berichten. Über den Blog kann man mit der Autorin ab Mitte April in Kontakt treten. Eine Übersetzung des Blogs ins Slowakische ist vorgesehen.

Kristina Forbat wird zudem englischsprachige Beiträge auf dem Blog des Košice Artist in Residence-Programm veröffentlichen.

Kristina Forbat wurde 1986 in Košice geboren und emigrierte im Jahr der Samtenen Revolution mit ihren Eltern nach Deutschland. Sie studierte Politik- und Kommunikationswissenschaft sowie Journalismus in Münster und Lille. Nach ihrem Studium arbeitete die gebürtige Slowakin in verschiedenen Hamburger Filmproduktionen, u.a. für Cinecentrum. Hier war sie redaktionell an der Produktion von Dokumentarfilmformaten beteiligt. Kristina Forbat lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Hamburg.
Kristina Forbat möchte die von Slowaken, Deutschen, Ungarn, Juden, Ruthenen, Roma und anderen Nationalitäten geprägte Geschichte Kaschaus durch Gespräche mit seinen Bewohnern erleben und erlebbar machen. Mit einem während ihres Aufenthalts erarbeiteten Projekt plant sie die in der Vierländerregion zwischen Polen, der Ukraine und Ungarn gelegene slowakische Stadt einem breiten Publikum näher zu bringen. 

Träger des Stipendiums

Deutsches Kulturforum östliches Europa
Kulturhauptstadtgesellschaft Košice2013 – Európske hlavné mesto kultúry
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