In Pascal Merciers
Roman nimmt Raimund Gregorius den Nachtzug nach Lissabon. – Mein
Nachtzug geht nach Košice. Wie der Protagonist des gerade verfilmten Romans stehe
auch ich vor der Frage „Wenn […] wir
nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist – was geschieht mit
dem Rest?“
Ich will es wagen
– mein kleines slowakisches Abenteuer. Packe meine Koffer, steige in Hamburg in den Zug und fahre
Richtung Osten. In Košice, der 240.000 Seelen Stadt, der zweitgrößten der Slowakischen
Republik, liegen meine Wurzeln. Hier bin ich 1986 geboren. Es ist die Heimat
meiner Familie. Auch meine ist es auf eine Weise. Sie wäre es geworden, hätten meine
Eltern sich damals nicht entschieden dem Sozialismus den Rücken zu kehren. Sie
setzten meine Schwester und mich auf die Rückbank unseres Škodas
und auf ging es in den Westen. – Wir
können nur einen kleinen Teil von dem leben, was in uns ist. Nun habe ich fünf Monate lang Zeit zu entdecken,
wie sich dieser Teil anfühlt.
Ich will als Stadtschreiberin ganz nah sein an Košice,
seinen Menschen und der Umgebung. An dieser kleinen Stadt in der
Ostslowakei, die sich noch etwas schüchtern gewöhnen muss an ihren Titel der „europäischen
Kulturhauptstadt 2013“. Seit jeher ist Košice Schmelztiegel verschiedener Kulturen und
Bräuche und steht sinnbildlich für Völkerwanderungen, Kriege und Wirrungen im
Europa des 19. und 20. Jahrhunderts. Košice wechselte binnen weniger Jahrzehnte
mehrfach die Staatsangehörigkeit – ohne sich dabei auch nur einen Schritt vom
Fleck zu bewegen. Wer kann dies schon von sich behaupten?
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten hier Juden, Deutsche, Ungarn
und Slawen friedlich miteinander. Bis heute sind viele Bewohner der Stadt
Košice bilingual. Daneben konnten sich einige wenige deutschsprachige Inseln in
der Region halten – der forcierten Assimilierung durch das ungarische
Königreich und den russischen Besatzern nach dem Zweiten Weltkrieg zum Trotz. In
ostslowakischen Orten wie Metzenseifen oder Stoß spricht man heute noch
den „mantakischen
Dialekt“.
Wie wirkt sich die wechselvolle
Geschichte der Stadt Košice und der Umgebung auf ihre Bewohner aus? Welche
Erfahrungen machten sie in den politischen Umbrüchen? Mit welchen
Herausforderungen lebt hier die junge Generation, die bereits im
post-kommunistischen Staat aufgewachsen ist?
Nachtzug nach Košice - in Bildern
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