Im Mai
summt und musiziert es im Kaschauer Kessel. Jeden Tag pünktlich um 8 Uhr weckt
mich eine weibliche Stimme, die die Tonleiter herauf und herunter singt. Ihre
morgendliche Aufwärmübung ist mir inzwischen heimisch und vertraut. Wenn ich mich auf
meinen blauen Pegasus schwinge und über die Promenade sause, lausche ich mit
gespitzten Ohren den sanften Klängen, die aus den Musikschulen durch die geöffneten Fenster drängen. Hier der Laut einer Geige, dort trötet eine
Trompete.
- Die ganze Stadt ist ein Musikkonzert! Ein
Festival jagt das nächste. Im Rahmen des „Use
the City Festivals“ spielten zwischen dem 22. und 24. Mai über 40 Bands in
der Innenstadt. Zahlreiche Schauspieler und Künstler stellten ihr Können mitten
auf der Fußgängerzone unter Beweis. Freitagabend standen an jeder Ecke auf der Hauptgasse, in den Hinterhöfen und Seitengassen kleine Zelte mit musizierenden
Kapellen. Trotz des kühlen Regenwetters wiegten sich die Besucher mit seligem
Lächeln im Rhythmus der Gitarren.
In der nächtlichen Finsternis der Stadt mit düsterer Plattenbaukulisse folgten wir, die rund Einhundert Zuschauer, nichtsahnend einer Truppe Künstlern, die springend, kletternd und tanzend, ein riesiges Areal leerstehender Fabrikhallen für sich einnahmen.
Als
anfänglich unbeteiligte Zuschauerin fand ich mich plötzlich in einem
Eisengitterkäfig wieder, eingepfercht auf engstem Raum mit etlichen weiteren
Besuchern, die sich alle dieselbe Frage stellten: Was geschieht mit uns? Wir
alle trippelten wie kleine Schäfchen in einen Korridor, dessen Gitterwände sich
urplötzlich vor uns verschlossen und uns zu Gefangenen machten. Die Schauspieler
befanden sich unter uns. Quer verteilt in den Käfigen riefen sie im
verzweifelten Tonfall nach Namen und fragten uns nach Personen, die wir
nicht kannten. Etwas hilflos überließen wir uns dem Geschehen.
Wie ungemütlich es plötzlich geworden war, sich nicht mehr visuell berieseln zu lassen, sondern mittendrin in einem Theaterstück zu stecken, dessen Ausgang wir nicht kannten.
Wie ungemütlich es plötzlich geworden war, sich nicht mehr visuell berieseln zu lassen, sondern mittendrin in einem Theaterstück zu stecken, dessen Ausgang wir nicht kannten.
Am Rande der Käfige standen „Wächter“ mit vermummten Gesichtern, die sich rhythmisch auf die Beine schlugen. Sie trugen Camouflagehosen, blickten stumm über ihre gefangene Meute hinweg und blitzten mit Taschenlampen in unsere Augen. Mit einem Satz sprangen sie wie wilde Tiere alle gleichzeitig an die Käfigwände. Alles verstummte und erzitterte. Dann strichen sie mit den Taschenlampen übers Eisengitter, sodass ein ohrenbetäubendes Getöse erklang.
Wie
einfach es gewesen ist, uns in die Falle zu manövrieren, dachte ich mir immer
wieder. Dabei stieg mir eine Erinnerung vom Anfang der Woche wieder in den
Sinn, die mir die Kehle zuschnürte…
Fotostrecke
Das Performancestück "Step by Step" der beiden Theaterensembles "Na peróne" aus Kaschau und "Là Hors De" aus Lyon
Fotos: Tomáš Bachura / Košice2013
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Das Performancestück "Step by Step" der beiden Theaterensembles "Na peróne" aus Kaschau und "Là Hors De" aus Lyon
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