Freitag, 7. Juni 2013

Sagenumwobenes Metzenseifen


Als Sarah Neumann zum ersten Mal von der kleinen Gemeinde Metzenseifen in der Ostslowakei hört, in der „mantakisch“ gesprochen wird, ist sie zunächst ungläubig. 

Von Karpatendeutschen in Rumänien hat die Frankfurterin schon des Öfteren gehört. Aber von einem deutschen Dialekt, der sich seit dem Mittelalter im Bodwatal erhalten haben soll, erfährt die 20-Jährige zum ersten Mal in Kaschau. Hier, 30 km entfernt von Metzenseifen, lebt sie seit 10 Monaten und unterrichtet im Rahmen des Kulturweit-Freiwilligendienstes an zwei Kaschauer Gymnasien. 

Es dauert nicht lange, da erkundet Sarah das „Tal der Mantaken“ und besucht die Grundschule in Metzenseifen. Gemeinsam mit den Kindern beschließt sie ein Theaterstück auf die Beine zu stellen. Es handelt von der Entstehungsgeschichte Metzenseifens, die auf einer Jahrhunderte alten Sage beruht.


Nach dieser floss ein Bächlein auf dem Hauptplatz der heutigen Gemeinde, der einen großen Sumpf bildete. In diesem Sumpf soll ein Drache gelebt haben, der die Bewohner in großen Schrecken versetzte, da er junge Mädchen und Frauen fraß. Die Bewohner berieten, wie sie am besten den dreizehnköpfigen Drachen töten könnten. Die alte Schusters Witwe kam schließlich auf eine Idee: sie schmolz einen Haufen Pech und formte daraus eine Puppe. Der Puppe zog sie die Metzenseifner Tracht über und stellte sie nachts an den Sumpf. Der Drache fiel auf den Trick hinein, fraß die Puppe und verbrannte, sodass nur noch ein Haufen Asche von ihm übrig blieb. Das Feuer trocknete den Sumpf aus und die Bewohner konnten daraufhin auf dem trockenen Grund ihre Siedlung bauen.


„Die Kinder blühen richtig auf, seitdem Sarah mit ihnen das Theaterstück übt. Schon lange hat bei uns kein Muttersprachler mehr unterrichtet“, sagt eine junge Lehrerin aus Metzenseifen. Auf der Grundschule wird Deutsch bereits ab der ersten Klasse gelehrt, in einigen Klassen bis zu sechs Stunden pro Woche. Daneben lernen die Schüler noch weitere Fremdsprachen wie Englisch und Russisch. Mantakisch steht nirgends auf dem Lehrplan. Dabei besteht das Lehrerkollegium zu 50 Prozent aus Mantaken. Unter sich sprechen die Lehrer ausschließlich Dialekt. Sie geben schmunzelnd zu, dass Mantakisch so etwas wie „ihre Geheimsprache“ sei.

Inzwischen verstehen nur noch 2-3 Schüler pro Klasse diesen seltenen Dialekt. 1993 beherrschte ihn noch die Hälfte der Schüler. Die Tendenz sinkt seit über 60 Jahren. Gertrúda Schürgerová, die stellvertretende Schuldirektorin, erklärt: „Mantakisch lernen die Kinder nur, wenn beide Eltern Mantaken sind und zuhause die Sprache praktizieren.“ –  Doch das ist heute nur noch selten der Fall. 

Dass der Unterricht der deutschen Sprache seit den 1990er Jahren wieder in Metzenseifen und anderen slowakischen Gemeinden mit deutschen Minderheiten gefördert wird, begrüßt Walter Bistika, der Fotograf und Stadtchronist Metzenseifens. „Doch es geht zu Lasten des mantakischen Dialektes. Den sprechen einzig die Alten, und die sterben nach und nach aus, “ sagt der 84-Jährige im fließenden Hochdeutsch.

Der dreizehnjährige Matej Drábik gehört zu einem dieser wenigen Kindern im Ort, die von klein auf mit dem mantakischen Dialekt großgeworden sind. Bis zu seinem fünften Lebensjahr sprach er fließend Mantakisch. „Als ich eingeschult wurde, konnte ich kaum ein Wort Slowakisch, also hörte meine Mutter auf mit mir im Dialekt zu sprechen.“ – Immerhin, seine Sprachkenntnisse reichen aus, um im mantakischen Dialekt die Drachensage vorzutragen. Walter Bistika lässt sich das seltene Spektakel nicht entgehen und kommt täglich zur Theaterprobe. Er feilt gemeinsam mit Matej an den letzten Feinheiten in seinem Sprechertext.


Hier zum Nachhören:


Das Theaterstück, welches dreizehn Schüler der siebten Klasse der Metzenseifner Grundschule  einstudieren, ist auf Deutsch, Slowakisch und Mantakisch. „Wir wollten alle drei Sprachen einbinden, damit jeder Besucher, egal welcher Sprache er mächtig ist, das Stück versteht," erklärt Sarah Neumann.

Unter Leitung der Kulturweit-Freiwilligen Sarah Neumann, des deutschen Lektors Friedrich Burrichter, sowie des Metzenseifner Künstlers Helmut Bistika wird das Stück am kommenden Montag, dem 10. Juni aufgeführt. Die Premiere findet um 17 Uhr im Metzenseifner Kultursaal statt.

Für Sarah Neumann geht nach der Aufführung des Theaterstücks bald ihr einjähriges Projekt in Kaschau zu Ende. An der Existenz einer mantakischen Gemeinde in der Ostslowakei zweifelt sie nun nicht mehr. Von Mantaken und der Drachensage wird sie ihren Freunden nach der Heimkehr berichten können…



Theaterprobe

"Der Tod", den sich die Witwe herbeisehnt, geht nur in Erfüllung, wenn die Witwe den Drachen tötet...



Der Künstler Helmut Bistika hilft "dem Tod" auf die Sprünge...


Der Drache ist besiegt, die Bewohner von Metzenseifen sind in Feierlaune.




Mitwirkende: Sarah Neumann, Kulturweit-Freiwillige in Kaschau, Helmut Bistika, Künstler und Kunstpädagoge aus Metzenseifen, Friedrich Burrichter und Frank Steffen, deutsche Lektoren an zwei Kaschauer Gymnasien

Wer sich mit dem mantakischen Dialekt näher beschäftigen möchte:

PhDr. Gabriela Schleusener und Dr. sc. Heinz Schleusener haben dieses Jahr im Shaker Verlag das "Wörterbuch der deutschen Mundart in Metzenseifen" verfasst.

(hier online zu bestellen)

Und noch mehr Infos zu Mantaken und Metzenseifen gibt es hier.
Teilen

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen